Das Behinderten­testament

Das sogenannte Behindertentestament ist auch bekannt unter den Namen „behindertengerechtes Testament” oder „sozialhilfefestes Testament”. Es handelt sich dabei um eine besondere Form des Testaments für Familien mit behinderten Angehörigen.

Durch diese komplexe Testamentsgestaltung kann der behinderte Angehörige nach dem Erbfall über das Sozialhilfeniveau versorgt werden. Gleichzeitig wird das Familienvermögen geschützt.

Behindertentestament

Das Grundproblem

Gibt es in Ihrer Familie Angehörige mit einer Behinderung? Beziehen diese Sozialhilfeleistungen? Dann ist für Ihren Erbfall Folgendes zu beachten:

Im Bereich der Sozialhilfe gilt immer der sogenannte Subsidiaritätsgrundsatz: Hat eine Person ausreichend eigenes Einkommen oder Vermögen, so muss diese für ihre Kosten selbst aufkommen. Sozialhilfe wird also nur dann gewährt, wenn der behinderte Angehörige nicht ausreichend eigenes Vermögen oder Einkommen hat.

Erbt eine Person, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, Vermögen, so werden in der Regel die Sozialhilfeleistungen eingestellt. Denn dann geht der Sozialhilfeträger davon aus, dass diese Person sich nun selbst versorgen kann.

Erst dann, wenn dieses Vermögen unter die Schonvermögensgrenze sinkt, werden die Sozialhilfeleistungen wieder fortgesetzt. Das Problem ist: Bei hohen monatlichen Heimkosten ist das Erbe in vielen Fällen oft sehr schnell aufgebraucht. Ein Verbrauch der Erbschaft für die persönlichen Belange des behinderten Angehörigen ist meist kaum möglich.

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Enterbung nicht ratsam

Sollten Sie ein Kind haben, das auf Sozialhilfe angewiesen ist, so dürfen Sie es nicht enterben! Denn dann steht Ihrem Kind ein Pflichtteil zu, der vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden kann. Anschließend werden umgehend alle Zahlungen eingestellt und Ihr Kind mit Behinderung muss den gesamten Pflichtteil aufbrauchen.

Es stellt sich also die gleiche Problematik: Auch hier profitiert Ihr Kind nicht wirklich von dem Pflichtteil, denn viel zu schnell ist dieses Geld für die laufenden Heimkosten aufgebraucht. Meist nimmt sogar die Abwicklung der Angelegenheit so viel Zeit in Anspruch, dass Ihr Kind am Ende gut wie überhaupt nichts mehr vom Pflichtteil für sich selbst erhält.


Die Lösung: Das Behindertentestament

Die Enterbung ist aber auch aus einem weiteren Grund keine Lösung: Denn es ist ja gerade nicht beabsichtigt, dass Ihr behindertes Kind leer ausgeht! Im Gegenteil, während die sonst gesunden Kinder in aller Regel einer eigenen Arbeit nachgehen und daher eigenes Einkommen haben, sind Kinder mit Behinderung oft besonders auf zusätzliche (finanzielle) Unterstützung angewiesen.

Das Behindertentestament hat also zwei Ziele:

  • Unterstützung des Angehörigen mit Behinderung
  • Schutz des Familienvermögens

Diese Ziele werden dadurch erreicht, dass dem Behinderten sehr wohl Vermögen vererbt wird. Dies geschieht aber in einem eingeschränkten Maß, denn der Behinderte wird lediglich sogenannter Vorerbe. Zudem wird sein Erbteil der Testamentsvollstreckung unterstellt.

Diese Kombination bewirkt, dass der Zugriff auf den Stamm des geerbten Vermögens ausgeschlossen wird. Dies hat dann zur Folge, dass das Erbe im sozialhilferechtlichen Sinn nicht zur Verfügung steht, d. h. der Behinderte kann und muss das Erbe nicht einsetzen. Dennoch, und das ist der Vorteil dieser Lösung, profitiert der Behinderte von dem geerbten Vermögen: Die Erträge aus dem geerbten Vermögen (also etwa Mieteinnahmen) stehen dem Behinderten durchaus zu und zwar unabhängig von der Grenze des Schonvermögens. Ihr Kind hat also effektive Vorteile aus der Erbschaft, da ihm diese Erträge zusätzlich zur Sozialhilfe zustehen und etwa für Hobbies etc. eingesetzt werden können. Darüber hinaus muss das vererbte Vermögen nicht verkauft werden, es bleibt weiterhin im Familienbesitz.

Wichtig ist noch: Nicht für alle Familien ist das behindertengerechte Testament wirklich erforderlich oder jedenfalls empfehlenswert. Kontaktieren Sie mich daher gerne für ein erstes Beratungsgespräch.


Die Abwicklung eines Behindertentestaments

Ihr Ehegatte ist verstorben und hat ein behindertengerechtes Testament hinterlassen? Oder Sie sind als Testamentsvollstrecker in einem Behindertentestament ernannt?

Zwar hat das behindertengerechte Testament die oben beschriebenen Vorteile, aber im Gegenzug hierzu kann die Abwicklung kompliziert sein. Dies kann zum Beispiel daran liegen, dass manche Betreuungsgerichte und auch vom Gericht eingesetzte Betreuer nicht mit dem Konstrukt dieses Testaments vertraut sind. Die meist aus der Familie ernannten Testamentsvollstrecker stehen dann vor dem Problem, die Ansprüche des Behinderten gegenüber dem Betreuer und dem Betreuungsgericht durchsetzen zu müssen. Unter Umständen kommt sogar noch eine Erbauseinandersetzung hinzu.

Es handelt sich um eine Dauertestamentsvollstreckung, die bis zum Tod des Behinderten gilt. Während dieser langen Zeit, aber vor allem nach dem Erbfall der Eltern, kann es immer wieder zu Problemen kommen. Als Testamentsvollstrecker haben Sie jederzeit die Möglichkeit, unter Umständen sogar auf Kosten der Erbschaft, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu beauftragen, der Ihnen bei der Abwicklung hilft und den Beteiligten die Funktionsweise dieses Testaments erläutert.


Weitere Informationen

Weitere Informationen zu dem Thema Behindertentestament finden Sie in meinem Erbrechtsratgeber. Derzeit arbeite ich an einer Reihe von verschiedenen Artikel, die nach und nach online gestellt werden. Sie finden diese unter dem folgenden

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